In der »Akzeptanz- und Commitment-Therapie« (ACT) spielen Werte eine wichtige Rolle. Da sich die meisten Menschen unter Werten nichts vorstellen können bzw. oft Werte mit Zielen oder Regeln verwechseln, erkläre ich in diesem Beitrag die Unterschiede, warum es wichtig ist Deine Werte zu kennen, was sie mit dem Sinn Deines Lebens zu tun haben und wie Du sie Dir bewusst machst.
Wie unterscheiden sich Werte von Zielen und Regeln?
Der Psychologe und Autor Russ Harris definiert in seinem Buch Wer vor dem Schmerz flieht wird von ihm eingeholt Werte als unsere tiefsten Herzenswünsche, wie wir uns als Mensch verhalten wollen. Es sind die Eigenschaften, die wir in unser tägliches Handeln einbringen wollen und die unserem Leben einen Sinn verleihen. Viele Menschen fragen sich, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, welchen Zweck ihr Leben hat?
In dem wundervollen Roman Das Café am Rande der Welt: eine Erzählung über den Sinn des Lebens von John Strelecky wird der Protagonist genau mit diesen Fragen konfrontiert, auf einer Speisekarte:
- Warum bist du hier?
- Hast du Angst vor dem Tod?
- Führst du ein erfülltes Leben?
Diese Fragen, sind die Fragen nach dem Zweck Deiner Existenz. Es geht dabei darum, was Dir wirklich wichtig ist im Leben, was Du gerne machen möchtest, was Dich begeistert?
Schauen wir tiefer, geht es darum, welchen Beitrag Du leisten möchtest, damit diese Welt ein besserer Ort zum Leben für alle Lebewesen wird. Die größte Zufriedenheit und das größte Glück erleben wir stets dann, wenn wir anderen etwas Gutes tun. Es geht darum sich einer Sache zu widmen, die größer ist, als man selbst. Es geht darum, welchen Fussabdruck Du auf diesem Planeten hinterlassen willst, wenn Du nicht mehr da bist.
Um das herauszufinden ist es notwendig Deine Werte zu kennen und Dir bewusst zu machen.
Werte drücken aus, was für ein Mensch wir sein wollen und was uns im Leben wirklich wichtig ist. Werte begleiten uns unser ganzes Leben lang, sie sind unser Leitfaden, während Ziele erreicht oder nicht erreicht werden können, d.h., Ziele kann man abhaken. Leider leben wir heutzutage in einer Gesellschaft, die auf Ziele und nicht auf Werte ausgelegt ist. Selbst wenn wir Werte sagen, sind oft Regeln oder Ziele gemeint. Ziele sind wichtig, sie geben uns halt und Orientierung. Sie sagen aber noch nichts darüber aus, wie wir unsere Ziele erreichen wollen?
Bei Werten geht es darum, wie wir uns verhalten wollen, bei Zielen, was man bekommen will. Werte drücken aus, wie wir uns verhalten wollen, um unsere Ziele zu erreichen oder wie wir uns verhalten wollen, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen.
Regeln definieren wir meist durch Ausdrücke, wie »richtig«, »falsch«, »gut«, »schlecht«, »sollte«, »sollte nicht«, »muss« und »müsste«. Regeln sagen uns, wie wir unser Leben leben sollen, sie informieren uns über die richtige oder falsche Weise, etwas zu tun. Regeln vermitteln uns oft ein Gefühl der Verpflichtung, sie können uns belasten, unsere Optionen einschränken.
Der erste Weg wirkt oft befreiend und belebend, während Letzterer erschöpfend und belastend sein kann.
Wenn wir unsere Werte kennen, dann können wir unsere Ziele an unseren Werten ausrichten.
Russ Harris erklärt den Unterschied zwischen Werten und Zielen in diesem sehenswerten animierten Video:
Quelle: https://imlearningact.com/ | Sprache: Englisch | Länge: ca 3:41 Minuten.
Wie mache ich mir meine Werte bewusst?
Um sich die eigenen Werte bewusst zu machen, ist es hilfreich ein Tagebuch zu führen. In dieses Tagebuch schreibst Du alles, was Du den Tag über getan und erlebt hast und notierst dazu, welche Werte Du mit dieser Tätigkeit bzw. diesem Erlebnis verbindest. Dieses Tagebuch solltest Du mehrere Monate lang führen, so werden Dir nach und nach Deine Werte bewusst. Es empfiehlt sich am Ende des Tagebuchs ein paar Seiten frei zu lassen, um dort Deine persönliche Werteliste zu notieren und bei Bedarf durch neu entdeckte Werte zu ergänzen. Auf die letzte Seite klebst Du die Zielscheibe aus dem Beitragsbild (einfach auf das Bild mit der rechten Maustaste klicken und aus dem Menü Bild speichern unter
auswählen).
Damit kannst Du erkennen, in welchen der vier Lebensbereiche Arbeit/Ausbildung, Freizeit, persönliches Wachstum/Gesundheit und Beziehungen Du nach Deinen Werten lebst und handelst und wo noch nicht. Ich habe festgestellt, dass es vollkommen ausreicht, dass alle 4 bis 8 Wochen zu tun. Es braucht Zeit um ein erfülltes und zufriedenes Leben zu schaffen. Es mag sich blöd und klischeehaft anhören, aber
der Weg ist das Ziel.
Sei daher mutig und beharrlich und vor allem selbstmitfühlend auf diesem Weg.
Zwei Beispiele aus meinem Tagebuch:
Beim Konzert der Allah Las in Frankfurt gewesen.
(Mut, Entschlossenheit, Akzeptanz, Begeisterung, Verbindung, Genuss, Freiheit, Faszination, Freude, Spaß, Selbstmitgefühl)
Beim Zahnarzt gewesen zur Kontrolle.
(Mut, Entschlossenheit, Bereitwilligkeit, Akzeptanz, Gesundheit, Selbstfürsorge/Selbstmitgefühl, Achtsamkeit)
Die folgenden Arbeitsblätter zur Klärung Deiner Werte sind aus dem Buch Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei – Ein Umdenkbuch von Russ Harris. Zum herunterladen anklicken:
Arbeitsblaetter_Werte_Harris.pdf
Werteliste
Wichtig: Es gibt keine »richtigen« oder »falschen« Werte. Das ist, wie mit unseren unterschiedlichen Vorlieben. Wir sind Individuen und als solche haben wir unterschiedliche Vorlieben und ebenso können wir auch unterschiedliche Werte haben. Das bedeutet auch, das meine Vorlieben und Werte nicht besser oder schlechter sind als Deine.
Lies Dir die folgende Liste durch und notiere neben jeden Wert einen Buchstaben: S für »sehr wichtig«, Z für »ziemlich wichtig« und N für »nicht so wichtig«. Es sollten mindestens zehn Werte als »sehr wichtig« markiert werden. Dies ist nur ein Ausschnitt. Die vollständige Liste findest Du im Buch Wer vor dem Schmerz flieht wird von ihm eingeholt von Russ Harris.
- Akzeptanz: offen sein und mich, andere, das Leben und so weiter akzeptieren.
- Authentizität: authentisch, echt, wahrhaftig sein und mir selbst treu bleiben.
- Schönheit: Schönheit an mir, anderen und meiner Umgebung schätzen, schaffen, fördern und pflegen.
- Fürsorglichkeit: fürsorglich mit mir selbst, anderen und der Umwelt umgehen.
- Mitgefühl: Menschen, die leiden, mit Freundlichkeit behandeln.
- Verbindung: mich voll und ganz dem widmen, was ich gerade tue, und im Umgang mit anderen ganz präsent sein.
- Beitrag: zu mir und anderen etwas beitragen, hilfreich sein und etwas Positives bewirken.
- Mut: mutig und tapfer sein; angesichts von Furcht, Bedrohungen und Schwierigkeiten durchhalten.
- Kreativität: kreativ beziehungsweise innovativ sein.
- Neugier: neugierig, aufgeschlossen und interessiert sein; erforschen und entdecken.
- Gleichheit: andere gleich behandeln wie mich selbst und das auch von ihnen verlangen.
- Fairness: fair mit mir selbst und anderen umgehen.
- Fitness: meine Fitness erhalten und verbessern; mich um meine körperliche und geistige Gesundheit und um mein Wohlbefinden kümmern.
- Freiheit: frei leben; mich entscheiden, wie ich lebe und mich verhalte; anderen helfen, das ebenfalls zu tun.
- Freundlichkeit: freundlich, umgänglich und liebenswürdig mit anderen umgehen.
- Spaß: lebensfroh sein; Aktivitäten, die Spaß machen, suchen, gestalten und daran teilnehmen.
- Dankbarkeit: dankbar für die positiven Aspekte in mir, in anderen und im Leben sein.
- Ehrlichkeit: ehrlich, wahrhaftig und aufrichtig mir und anderen gegenüber sein.
- Humor: die humorvolle Seite des Lebens sehen und schätzen.
- Demut: demütig beziehungsweise bescheiden sein, meine Leistungen für sich selbst sprechen lassen.
- Gerechtigkeit: für Gerechtigkeit und Fairness eintreten.
- Herzensgüte: freundlich, mitfühlend, rücksichtsvoll, fördernd und fürsorglich mit mir und anderen umgehen.
- Liebe: liebevoll mit mir und anderen umgehen.
- Achtsamkeit: das Hier und Jetzt bewusst erfahren und offen beziehungsweise neugierig darauf sein.
- Aufgeschlossenheit: die Dinge durchdenken, sie auch aus der Perspektive anderer sehen und die einzelnen Faktoren abwägen.
- Beharrlichkeit: trotz Problemen oder Schwierigkeiten entschlossen weitermachen.
- Respekt: respektvoll mit mir selbst und anderen umgehen; höflich und rücksichtsvoll sein, positive Zuwendung geben.
- Verantwortung: verantwortungsvoll sein und für mein Handeln Rechenschaft ablegen können.
- Selbstwahrnehmung: mir meiner eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen bewusst sein.
- Selbstfürsorge: mich um meine Gesundheit, mein Wohlbefinden und meine Bedürfnisse kümmern.
- Selbstentwicklung: hinsichtlich meines Wissen, meiner Fertigkeiten, meines Charakters und meiner Lebenserfahrung kontinuierlich wachsen und voranschreiten.
- Sinnlichkeit: Erfahrungen, die die fünf Sinne stimulieren, gestalten, erforschen und genießen.
- Sexualität: meine Sexualität erforschen beziehungsweise ausdrücken.
- Spiritualität: mich mit Dingen verbinden, die größer sind als ich.
- Unterstützung: unterstützend, hilfreich und ermutigend mit mir und anderen umgehen und für andere verfügbar sein.
- Vertrauen: vertrauenswürdig, loyal, treu, ehrlich und zuverlässig sein.
Quelle: »The Confidence Gap: From Fear to Freedom« von Russ Harris (Penguin Group Australia, Camberwell, Victoria, 2010)
Von mir ergänzte Werte:
- Begeisterung
- Engagement
- Entschlossenheit
- Ermutigung
- Ethik
- Faszination
- Freude
- Genuss
- Gesundheit
- Gewissenhaftigkeit
- Inspiration
- Kindlichkeit/sich ein Stück Kind sein im Erwachsenen bewahren
- Leidenschaft
- Moral
- Offenheit/Toleranz
- Sorgfalt
- Treue
- Verständnis
- Zärtlichkeit
Anschließend notierst Du alle Werte, die Du mit einem »S« (sehr wichtig) gekennzeichnet hast und wählst aus diesen, die für Dich wichtigsten 5 oder maximal 6 Werte aus.
Das sind Deine persönlichen Kernwerte. Schreibe diese Kernwerte hinten in Dein Tagebuch oder auf ein Kärtchen, das Du immer bei Dir trägst. So kannst Du Dir stets bewusst machen, das es diese Werte sind, wofür Du als Mensch stehen willst, an denen Du Dein Leben ausrichten willst. Vielleicht ändern sich Deine Kernwerte mit der Zeit. Wenn Du das Tagebuch eine zeitlang geführt hast, wird Dir auffallen, dass bestimmte Werte bei fast allem auftauchen, was Du tust oder erlebst. Dann kannst Du sicher sein, dass dies Deine Kernwerte sind.
Der Gehirnforscher Gerald Hüther hat in seinem großartigen Buch Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher beschrieben, dass wir alles, was wir mit Begeisterung tun, schneller erlernen, als Dinge, die uns wenig begeistern. Er sagt
Begeisterung ist Dünger fürs Gehirn
und macht sich stark für einen Wechsel von einer Gesellschaft der Ressourcennutzung zu einer Gesellschaft der Potentialentfaltung, mit mehr Raum und Zeit für das Wesentliche. Daher habe ich die Begeisterung als Wert zur Liste hinzugenommen. Wenn Du nach einiger Zeit in Dein Tagebuch schaust und entdeckst, bei welcher Tätigkeit überall der Wert Begeisterung auftaucht, dann kannst Du Dir ziemlich sicher sein, dass es das ist, was Du gerne machen möchtest. Bei mir sind das kreative Tätigkeiten, wie Schreiben, Web- und Mediengestaltung, die Kunstmalerei mit Pastellkreide und anderen Menschen die Heilkraft der buddhistischen Psychologie näher zu bringen, um das Leben im »Hier und Jetzt« bewusst zu erfahren.
Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass es oft Situationen geben wird, in denen Deine Werte mit dem Leben kollidieren werden, da wir in einer zielorientierten Gesellschaft und einem zielorientierten Wirtschaftssystem leben, dessen oberste Prämisse Wachstum ist. Daher ist es ratsam, Dein Leben nicht zu streng und verbissen an Deinen Werten auszurichten. Wenn das trotzdem geschieht, sei nachsichtig und freundlich zu Dir. Denke daran:
Nobody is perfect.
Im nächsten Beitrag werde ich Dir zeigen, wie Du Dir effektiv Ziel setzt und diese erreichst mit Hilfe eines Bereitschafts- und Aktionsplans aus ACT. Bis dahin wünsche ich Dir viel Freude beim Entdecken Deiner Werte.
Aloha*
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