» All Sorts of Things very nearly happening, but nothing did and he is relieved «»WHISPERING«-TED LOWE (Snooker-Kommentatorlegende
zurzeit laufen die Weltmeisterschaften im Snooker in Sheffield, England. Eine gute Gelegenheit einmal auf diesen faszinierenden Sport aufmerksam zu machen, der uns so viel über das wahre Leben lehren kann. Beim Snooker stehen Werte wie Fairness, Respekt und Wertschätzung an erster Stelle. Snooker hat auch Eingang in die englische Sprache gefunden: »to be snookered« bedeutet, »sich in einer schwierigen/aussichtslosen Lage befinden«, »to snooker somebody« bedeutet so viel wie »jemanden in eine schwierige Situation bringen«, so wie uns das Leben oft in schwierige Situationen bringt, die wir nicht vorhersehen können.
Sich in einer schwierigen Lage befinden.
Der Name Snooker bezieht sich auf eine Spielsituation, in der ein Spieler einen Ball, den er gemäß den Regeln anspielen müsste, nicht auf direktem Wege oder direkt nicht vollumfänglich erreichen kann und so zu einer schwierigeren Lösung, z. B. über Bande oder einem Bogenball gezwungen ist (dann spricht man von, er wurde »gesnookert«). Diese Bezeichnung hat auch Eingang in die englische Sprache gefunden: »to be snookered« bedeutet, »sich in einer schwierigen/aussichtslosen Lage befinden«, »to snooker somebody« bedeutet so viel wie »jemanden sperren«, »jemanden behindern« oder »jemanden in eine schwierige Situation bringen«, so wie uns das Leben oft in schwierige Situationen bringt, die wir nicht vorhersehen können wie Krankheit, einen Schicksalsschlag, Verlust des Arbeitsplatzes usw.
Spielregeln
Für alle nicht »Snookermaniacs«, Snooker ist eine Variante des Präzisionssports Billard, die mit speziellen Queues (Spielstock, mit dem die Bälle beim Billardspiel gestoßen werden) auf einem Snookertisch gespielt wird. Das Spielprinzip besteht darin, 15 rote und sechs andersfarbige Bälle (»die Farben«) mit dem weißen Spielball nach bestimmten Regeln in die Taschen zu versenken. Dabei zählt jeder rote Ball einen Punkt und zu jedem roten Ball muss anschließend eine der Farben gespielt werden, die verschiedene Wertigkeiten haben (Gelb=2, Grün=3, Braun=4, Blau=5, Pink=6 und Schwarz=7).
Im Vergleich zu den anderen Billardvarianten zeichnet sich Snooker durch einen höheren technischen Schwierigkeitsgrad aus. Das liegt vor allem an den größeren Tischmaßen (3556 mm × 1778 mm), dem kleineren Durchmesser der Bälle so wie den engeren und abgerundeten Tascheneinläufen (was eine höhere Präzision beim Lochen erfordert). Das abwechselnde Anspielen von roten und andersfarbigen Bällen sowie das Bestreben des Spielers, möglichst oft den höchstwertigen (schwarzen) Ball zu spielen, um möglichst viele Punkte nacheinander zu erzielen, erfordert ein hohes Maß an Kontrolle über den weißen Spielball. Das erfordert eine hohe Konzentration und Aufmerksamkeit über einen langen Zeitraum. Wie groß so ein Snookertisch ist, kann man gut in der unteren Abbildung sehen, in der der wohl beste Snookerspieler der Welt und mein großes Idol >Ronnie O’Sullivan mit einem verlängerten Hilfsqueue versucht einen Ball zu versenken.
Man könnte sagen, es ist eine typisch britische Sportart. Das zeigt sich auch an der Kleiderordnung: Die Spieler tragen eine Hose aus Tuch, elegante Schnürschuhe oder Slipper, langärmlige Hemden, darüber eine Weste sowie eine Fliege.
Fairness, Respekt und Wertschätzung
Wie bei allen Billard-Sportarten sind Fairness, Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Gegner, dem Sport selbst, dem Schiedsrichter und dem Publikum selbstverständlich. Dementsprechend verhalten sich die Spieler auch: Begeht ein Spieler einen Regelverstoß, der vom Schiedsrichter nicht bemerkt wurde, zeigt der Spieler diesen sofort selbst an, selbst wenn das bedeutet einen Frame (ähnlich dem Satz beim Tennis) oder gar das ganze Match zu verlieren.
Gelingt einem der Spieler ein »Snooker« (der Spielball wird hinter einem der farbigen Bälle so platziert, dass der Rivale keinen der anzuspielenden roten Bälle direkt anspielen kann) oder eine schwierige, aber sichere Ablage des Spielballs (»Safty«), so wird dies vom Gegenspieler durch Tippen mit dem Queue auf die Bande des Tisches anerkennend gewürdigt. Kommt es zu einem »Fluke« (ein Zufallstreffer), wird sich durch eine Geste Richtung des Rivalen dafür entschuldigt. Geht es in einen »Entscheidungsframe« (beide Spieler haben gleichviele Frames geholt und der letzte Frame entscheidet über Sieg oder Niederlage) schütteln sich die Kontrahenten davor respektvoll die Hände, ganz im Sinne von »Möge der bessere gewinnen«. Dieser Sport lebt von der Wertschätzung und dem Respekt der Spieler untereinander, keiner möchte durch eine unfaire Aktion gewinnen.
In England ist Snooker, auch deshalb, nach Fußball die zweitbeliebteste Sportart. Die Spieler leben diese Fairness, diesen Respekt und die Wertschätzung Anderen gegenüber auch abseits des Snookertischs. Sie sind Vorbilder.
Man stelle sich vor ein Fußballspieler, der sich im Strafraum fallen lässt und dafür einen unberechtigten Elfmeter zugesprochen bekommt, weil der Schiedsrichter es nicht gesehen hat, würde freiwillig zu diesem gehen und sagen, dass es kein Elfmeter war. Man stelle sich vor, ein Stefan Kießling wäre zum Schiedsrichter gelaufen und hätte gesagt, dass er den Ball durch ein Loch im Außennetz des Tores geköpft habe und der Treffer nicht zählt. Undenkbar? Und doch wäre es so wichtig, denn Sportler sind oft Vorbilder für die Gesellschaft und für unsere Kinder, die ihren Idolen nacheifern. Was lernen unsere Kinder wohl von diesen Fußballspielern? Der Fußball ist zu einem Abbild unserer egoistischen, ziel- und leistungsorientierten Gesellschaft geworden!
Das Publikum ist, solange die Spieler am Tisch sind, mucksmäuschen still, man könnte eine Stecknadel fallen hören. Es ist beeindruckend diese absolute Ruhe zu erleben, in der man nur das Geräusch des Stoßes mit dem Queue gegen den weißen Spielball oder ein lautes »Klack« hört, wenn ein Ball mit hoher Geschwindigkeit eingelocht wurde, das hat fast etwas Meditatives. Kein Fan eines Spielers käme auf die Idee, dessen Gegner durch Ausbuhen oder laute Zwischenrufe aus seiner Konzentration zu bringen, während dieser sich am Tisch befindet. Wenn ein besonders spektakulärer Ball eingelocht wurde, durchbrechen die begeisterten Jubelrufe des Publikums diese beinahe meditative Stille. Danach ruft der Schiedsrichter zur Ruhe und das Publikum verstummt wieder. Diese Atmosphäre live zu erleben ist etwas ganz Besonderes.
»Hit and Hope«
»Das Leben ist ein Spiel«, diesen Satz hört oder liest man ja oft. Wenn das Leben wirklich ein Spiel wäre, dann wäre es garantiert Snooker. Auch am Snookertisch spielen sich Dramen ab, es ist ein ständiges Auf und Ab. Man trifft Entscheidungen und mal ist es die richtige und mal die falsche. Selbst von weit hinten liegend ist es möglich, noch zu gewinnen und umgekehrt mit großem Vorsprung kann man noch verlieren. Gerade bei den langen Distanzen bei der WM (im Finale über 35 Frames in 4 Sessions auf zwei Tage verteilt) sind solche Verläufe nicht selten, denn es gibt, wie im Leben, unvorhersehbare Spiel-Situationen, auf die man keinen Einfluss hat (ein unsauberer Ballkontakt oder leider auch öfters mal ein klingelndes Handy mitten im Stoß). Dann diktiert das Spiel, was man tun muss oder kann.
» In every Match there are Decisions, that will effectivley win or lose a Match «STEVE DAVIS
Egal, mit welcher Situation der Spieler am Tisch konfrontiert wird, er muss eine Lösung finden und eine Entscheidung treffen. Wage ich etwas, indem ich einen schwierigen Ball zu lochen versuche, und werde vielleicht belohnt oder spiele ich lieber eine Safty? So wie im Leben, gibt es auch beim Snooker keine Garantie, das ich dafür belohnt werde, wenn ich etwas wage und es gibt auch keine Garantie, das die »Safty« auch wirklich sicher ist, der Gegner also keine Chance bekommt eine Rote zu lochen. Solche Situationen können einem Spiel eine komplette Wendung geben (und auch das Leben kann jederzeit eine Wendung nehmen), dann wird der scheinbar sichere Sieger doch noch zum Verlierer. Legt der Gegner einen besonders raffinierten Snooker, kommt auch schon mal die Methode »Hit and Hope« zum Einsatz (der Spieler stößt den Spielball mit hoher Geschwindigkeit und hofft, dass er erstens eine Rote trifft und zweitens möglichst keinen Einsteiger für den Gegner liegen lässt). Mark King gelang doch tatsächlich in einem Match das Kunststück trotz »Hit and Hope« keine Rote zu treffen, obwohl noch fast alle auf dem Tisch lagen.
Snooker ist wie das Leben: eine emotionale Achterbahnfahrt.
Gelingt das nicht oder man verschießt einen Ball, ist der Gegner dran. Dann kann man nichts anderes tun, als sich in seinen Stuhl zu setzen und zuzusehen, was der Gegner aus der sich bietenden Chance macht. Man hat keine Kontrolle mehr darüber. Diese Dramen machen die Faszination beim Snooker aus. Da kippt ein Ball gerade so eben noch über die Kante des Tascheneinlaufes oder bleibt eben doch daran hängen. Man locht eine fantastische lange Rote, aber der weiße Spielball fällt unglücklich hinterher, was ein Foul ist und den Gegner wieder an den Tisch lässt. Glück und Unglück können von einem Stoß zum nächsten wechseln. Wie oft habe ich schon Spieler in ihrem Stuhl dasitzen sehen, ohnmächtig, am Boden zerstört (die meisten wirken stoisch), die dachten, das war’s, ich habe verloren
, um plötzlich doch wieder eine neue Chance zu bekommen, weil der Gegner einen unvorhersehbaren »Kick« (unsauberer Ballkontakt) bekommt und den Ball deshalb verschießt. Dann ist er derjenige, der sich in seinen Stuhl sinken lässt und sich fragt, warum ihm der Snookergott ausgerechnet jetzt einen Kick beschert. Snooker ist wie das Leben: eine emotionale Achterbahnfahrt.
Gerade die langen Distanzen bei der WM bedeuten eine besonders große psychische Belastung für die Spieler. So ein Match wird in mehreren Sessions über 2 oder 3 Tage ausgetragen. Das bedeutet aber auch, dass die Spieler zwischen den Sessions viel Zeit zum Nachdenken haben. Die meisten Gedanken, wie könnte es anders sein, drehen sich um die vergebenen Chancen und die Fehler, wie im Leben auch. Steve Davis, 6-facher Weltmeister und eine Snooker-Legende, sagte mal, dass ihn eine hohe Führung nach einem Tag selten ruhig hat schlafen lassen. Der einzige Gedanke, den er hatte, war, dass sein Gegner am nächsten Tag ein furioses Comeback startet und ihn noch schlägt. Dieses Spiel wird meistens im Kopf entschieden. Schwierig ist auch, dass man seine Emotionen während des Spieles nicht unmittelbar zeigen kann. Kein Spieler würde laut fluchen, wenn er einen Fehler gemacht hat und sich darüber ärgert, denn das würde eine sofortige Ermahnung durch den Schiedsrichter und spätere Bestrafung durch den Snooker-Weltverband bedeuten. Hier stehen wieder der Respekt und die Wertschätzung gegenüber dem Sport, dem Publikum, dem Schiedsrichter und dem Gegenspieler an erster Stelle.
Während im Fußball »Elfmeterschinden« normal ist und selbst Spieler im Interview danach nur selten zugeben, dass es kein Elfmeter war. Erlaubt ist, was der Schiedsrichter nicht sieht. Ein Abbild unserer Gesellschaft. Politiker und Wirtschaftsbosse machen es vor, zugegeben wird nur, was nicht mehr zu leugnen ist. Schuld und eigene Fehler werden auf andere geschoben. Es wird mit einer Schamlosigkeit gelogen und betrogen und die Gesellschaft nimmt das meist hin, als wäre es selbstverständlich.
Dabei sehnen wir uns doch alle nach mehr Respekt, Gerechtigkeit und vor allem Mitgefühl in einer zunehmend ungerechter und egoistischer werdenden Welt. Vielleicht ist dies auch ein Grund, warum Snooker in Deutschland in den letzten Jahren immer beliebter wird und gerade zu einen Boom erlebt. Kürzlich bezeichnete der Boss der Snooker-Union, Barry Hearn, das einzige in Deutschland stattfindende Ranglistenturnier, das German Masters in Berlin, als das »Woodstock des Snookers«.
Was kann uns diese Sportart also lehren? Nun zunächst einmal respektvoll, fair, wertschätzend und mitfühlend miteinander umzugehen, eigene Fehler einzugestehen und sich selbst ernst zu nehmen. Das bringt uns wieder auf den Weg, ein wertorientiertes Leben zu leben. Denn darum geht es im Snooker auch: Werte zu leben und zu vermitteln.
In diesem Sinne würde der Welt, in der wir leben, etwas mehr Snooker-Mentalität gut tun.
Wer einmal vom Snooker-Virus angesteckt wurde, der kommt nicht mehr davon los
Wer einmal vom Snooker-Virus angesteckt wurde, der kommt nicht mehr davon los. Ich wurde definitiv durch Ronnie O’Sullivan von Snooker infiziert. Er gilt als einer der besten Spieler in der Geschichte des Sports, ist 5-maliger Weltmeister und war über mehrere Spielzeiten hinweg die Nummer eins der Weltrangliste. Auf der Snooker Main Tour hat er mehr Maximum-Breaks (Locht man alle roten Bälle (Wert 1) und dazu jeweils den schwarzen Ball (Wert 7) abwechselnd und danach in der richtigen Reihenfolge (aufsteigende Wertigkeit der Bälle) die farbigen Bälle (Wert insgesamt 27), ohne dass der Gegenspieler an den Tisch kommt, wird die höchstmögliche Punktzahl von 147 erreicht.(15)) und mehr Century Breaks (mindestens 100 Punkte ohne, das der Gegner an den Tisch kommt) erzielt, als jeder andere Teilnehmer. Am 10. März 2019 durchbrach er als erster Snookerspieler bei den Coral Player Championships die Schallmauer von 1.000 Century Breaks:
und am 2. Mai 2022 stellte er den Rekord von Stephen Hendry von 7 Weltmeistertiteln ein.
Er hält auch den Rekord für das schnellste jemals gespielte Maximum Break in 5:20 Minuten.
Er spielt beidhändig gleich stark, das wäre so, als ob Roger Federer mit der linken und rechten Hand Tennis spielen könnte. Dabei wechselt er so natürlich das Queue von der rechten in die linke Hand, das es einem nur auffällt, wenn man speziell darauf achtet. Seine Stoßzeit liegt bei etwa 15 Sekunden, was rasend schnell ist und ihm den Spitznamen »The Rocket« einbrachte. Wenn man ihm beim Spielen zuschaut, dann sieht ein unglaublich schwieriges Spiel, spielend einfach aus, so als ob es jeder spielen könnte. Der Unterschied wird einem erst bewusst, wenn man sieht, wie sich andere Top-Spieler schwertun. Es ist ein Genuss Ronnie in Hochform zuzusehen. Der Unterhaltungswert ist enorm und das ist es auch, was er selbst möchte, sein Publikum unterhalten, durch schnelles, spektakuläres und flüssiges Spiel. Mit dem Queue ist er ein Genie.
The most important thing, the biggest love of my life, is my snooker. I’ve never been so emotionally ingrained in something – in a person, an object, anything – as I have in snookerRonnie O’Sullivan
Wie bei den meisten Genies ist der Wahnsinn auch bei Ronnie nicht weit entfernt. Wegen seiner schwierigen Jugendzeit (Vater wegen Mordes im Gefängnis, Mutter zeitweise wegen Steuerhinterziehung ebenfalls inhaftiert und Ronnie auf sich allein gestellt) litt Ronnie jahrelang unter Depressionen, war alkohol- und drogenabhängig. Er macht verrückte Dinge am und abseits des Snookertisches, sorgt mit seinen Eskapaden immer wieder für Skandale. Er ist ein Mensch, der polarisiert. Ich glaube, genau deswegen lieben ihn die meisten Snookerfans auch so sehr. Seit er mit dem bekannten Sportpsychologen Dr. Steve Peters zusammenarbeitet, sind die Eskapaden weniger geworden und er hat sogar gelernt ein Match zu gewinnen, ohne sein bestes Snooker zu spielen. Wenn er seine Dämonen im Griff hat, dann kann ihn keiner schlagen. Steve Davis sagte über ihn, dass er mit dem Queue in der Hand geboren wurde.
Wer sich für diese faszinierende Sportart interessiert, der kann die Snooker-Weltmeisterschaft noch bis Montag live auf Eurosport verfolgen.
Aloha*