Eine meiner Lieblingsserien ist »Magnum P.I«. Klar, wer würde nicht gerne auf einem traumhaften Anwesen auf Hawaii leben, einen knallroten Ferrari fahren und abenteuerliche Fälle lösen und das stets pleite, aber mit viel Charme und Engagement.
In der Folge »eine schwimmende Bombe« trifft der Privatdetektiv Thomas Magnum (großartig gespielt von Tom Selleck, der den Schnauzbart wieder hip machte) eine alte Schulfreundin wieder, der er es zu verdanken hat seinen High-School-Abschluss geschafft zu haben. Sie heißt Goldie und ist eine Idealistin. Tierschutz, Gerechtigkeit, Ethik, das alles ist ihr wichtig. Wenn sie etwas tut, dann mit ganzem Herzen. Sie sieht die Welt in schwarz und weiß, entweder man ist für etwas oder dagegen, ein dazwischen gibt es für sie nicht. Dabei ist sie sehr emotional und handelt impulsiv.
Leider stolpert sie oft über Ihre Ideale, weil sie der Welt, in der wir leben nicht gerecht werden und sie naiv gutmütig ist, was dazu führt, dass sie oft von Anderen ausgenutzt wird. Bei ihren »Kreuzzügen«, wie es Magnum nennt, läuft sie ständig mit offenen Schnürsenkeln rum. Magnum sagt in seiner berühmten Stimme aus dem Off:
Man bekommt ein bisschen Angst, wenn eine Frau, der ständig die Schnürsenkel aufgehen, versucht die Welt zu retten. Man kann sogar sicher sein, dass sie den Rest ihres Lebens über ihre Ideale stolpern wird, genau wie über ihre Schnürsenkel. Andererseits weiß man auch, dass man ihr unmöglich ihre Ideale ausreden kann. Man wird quasi zum Mitläufer, ebnet ihr den Weg, bindet ihr die Schnürsenkel zu und murmelt dabei ein kleines Stoßgebet.
Ich bin ein wenig wie Goldie. Ich habe hohe ethische und moralische Ansprüche an mich selbst und an Andere. Gerechtigkeit, Fairness, Respekt, Toleranz, Verantwortung, Mitgefühl gehören zu meinen wichtigsten Werten. Das ist mir erst so richtig bewusst geworden, seitdem ich durch ACT meine Werte geklärt habe.
Das Problem dabei ist, dadurch dass sie mir bewusster sind, achte ich auch viel mehr darauf, ihnen gerecht zu werden und danach zu handeln.
Leider ist die Welt, in der wir leben nicht gerecht. Man eckt also ständig und überall an, wenn man sich von diesen Werten leiten lässt. Man macht sich das Leben oft selbst ganz schön schwer, weil nicht alle Menschen diese Werte teilen. Es kann einem in ganz schöne Schwierigkeiten bringen, wenn man berechtigt jemanden für sein Fehlverhalten sozial kompetent kritisiert (so wie ich es in zahlreichen sozialen Kompetenztrainings gelernt habe) oder auf Misstände aufmerksam macht, wenn Derjenige von sozialer Kompetenz keine Ahnung hat.
Es gibt nur Arschlöcher und Nicht-Arschlöcher und die gibt es überall, sogar in der eigenen Familie,
wie der Kabarettist Sebastian Pufpaff mal sagte. Wenn man also auf so jemanden trifft, dann geht man ganz schnell auch mal zu Boden, wortwörtlich und/oder im übertragenen Sinne. Soll ich aber deswegen meine Werte aufgeben, meine Meinung nicht äußern, meine Rechte oder die von Anderen, die sich nicht wehren können, nicht verteidigen, auf Misstände nicht aufmerksam machen, nur weil es bequemer ist?
Das kommt für mich nicht in Frage! Ich möchte mir am Ende meines Lebens nicht den Vorwurf machen müssen, nur ein Mitläufer gewesen zu sein, nur weil dieser Weg einfacher ist!
Eine persönliche Erfahrung
Als ich mich wegen akuter Suizidgedanken und Panikzuständen freiwillig dazu entschloss von der psychiatrischen Tagesklinik zur stationären Behandlung zu wechseln, machte ich im Aufnahmegespräch sehr deutlich, dass ich Tavor seit mehr als zwei Wochen mit 2mg täglich eingenommen hätte. Trotzdem entzog man es mir sofort, ohne es, wie nach den Leitlinien empfohlen, langsam auszuschleichen, selbst im Beipackzettel wird davor ausdrücklich gewarnt, das Medikament nach einer Einnahmedauer von mehr als 10 Tagen einfach so abzusetzen. (offensichtlich lesen viele Ärzte den Beipackzettel nicht) Die Folge waren heftige Panikattacken, Schüttelfrost und Suizidgedanken.
Ich ging mehrmals zum Stationszimmer und teilte mit, dass ich es seit zwei Wochen eingenommen hätte und vermutlich Entzugssymptome hätte. Man könne dies leicht überprüfen, wenn man in der angeschlossenen Tagesklinik anrufen würde. Ich äußerte dies mit Nachdruck, aber nie beleidigend oder verletzend. Ich sagte aber sehr deutlich, dass dies so nicht geht, man könne mir das Tavor nicht einfach von heute auf morgen wegnehmen, dass sei unerträglich und menschenverachtend!
Im weiteren Verlauf entschloss man sich dann nach drei Tagen, das Tavor wieder anzusetzen, ich hätte wohl doch Entzugssymptome, so die Argumentation der leitenden Psychologin. Allerdings begegnete man mir von da an respektlos, man nahm mich praktisch gar nicht mehr wahr. Man machte mich zu einem Objekt und nahm mir damit meine Würde als Mensch, als Person, als Individuum, was den Entzug zum Albtraum werden ließ und mich schwer traumatisiert hat. Auch heute habe ich noch schlimme Albträume über die fehlerhafte und menschenverachtende Behandlung in dieser Psychiatrie.
Die Folgen von Handeln und Nicht-Handeln
Danach habe ich mich immer wieder gefragt, ob es besser gewesen wäre, nichts zu sagen, nicht zu handeln. Es ging aber schließlich um meine Gesundheit und von einem früheren Therapeuten hatte ich gelernt, so weit wie möglich ein Umfeld zu schaffen, das meinen Bedürfnissen entspricht und für mich zu sorgen (vielen lieben Dank dafür, Herr Jacob :-). Ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass ich mir durch die berechtigte Kritik so große Schwierigkeiten eingehandelt hatte und der Entzug zum Trauma wurde.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es tatsächlich ein Behandlungsfehler war – ein Tippfehler im Aufnahmebericht. Im Aufnahmeprotokoll der protokollierenden Pflegerin stand, ich hätte angegeben Tavor seit mehr als zwei Wochen einzunehmen, im Aufnahmebericht der zuständigen Psychologin, mit der ich das Aufnahmegespräch führte stand, ich hätte Tavor seit 2 Tagen eingenommen. Das ist ein gewaltiger Unterschied, nach zwei Tagen wäre ein kalter Entzug kein Problem gewesen nach zwei Wochen aber schon.
Es war aber auch eindeutig Ursache einer leitenden Psychologin mit Minderwertigkeitskomplexen und einer riesigen Selbstwertproblematik. Ich hatte im Aufnahmegespräch auch gesagt, das ich bei der Behandlung gerne mit einbezogen werden möchte und das dies hier eine Gespräch auf Augenhöhe ist und keiner über dem anderen steht. Das ist in Psychiatrien nun gar nicht erwünscht und die leitende Psychologin fühlte sich dadurch gekränkt. Von da an machte sie mir den Entzug so schwer wie möglich! Solche Personen sollten nicht in der Psychiatrie arbeiten, aber oft ist die Psychiatrie der beste Ort wo auch Saddisten ihre Bedürfnisse leicht befriedigen können, sind psychisch Kranke doch selten in der Lage zu widersprechen, Widerstand zu leisten oder sich zu beschweren!
Ich habe dies in meiner Geschichte auf meinem Infoportal »Raus aus der Psychopharmakafalle« im Kapitel »Auf der Station« ausführlich dokumentiert. Ich vergleiche meine Tagebucheinträge mit dem Behandlungsprotokoll.
Also nahm ich mir eine Anwältin, um die Klinik auf Schadensersatz zu verklagen oder wenigstens einen Vergleich zu erzielen. Die Anwältin war zuversichtlich, sie sah einen klaren Behandlungsfehler. Sie empfahl ein kostenloses Gutachten über den »Medizinischen Dienst der Krankenkassen« erstellen zu lassen. Der Gutachter kam zu meinem Entsetzen zu dem Ergebnis, ich sei nicht zurechnungsfähig gewesen und man könne einen Entzug machen wie man wolle (was ich nebenbei bemerkt, ebenfalls menschenverachtend finde).
Das, was mir nicht klar war, war, dass ich mir damit auch jede weitere Behandlung in den angeschlossenen Tageskliniken verbaute, die mir zuvor in Krisen sehr geholfen hatten, da diese zur Klinik gehörten. Als Aufnahmebedingung forderte man mich auf, die Vorwürfe schriftlich in Anwesenheit von zwei Zeugen der Klinik, fallen zu lassen und mich zu entschuldigen, dann würde man evtl. über eine erneute Behandlung in der Tagesklinik reden können.
Es gab also keine Garantie, dass ich aufgenommen würde, wenn ich die Vorwürfe zurücknehmen würde. Das könnte man auch als Erpressung bezeichnen. Ich ließ mich darauf nicht ein, denn wieder versuchte man mich zu einem Objekt zu machen.
Hätte ich aber nichts gesagt, wäre der Entzug mit großer Wahrscheinlichkeit genauso traumatisch verlaufen oder noch schlimmer und ich hätte mich im Nachhinein dafür verurteilt, nichts gesagt zu haben.
Als Patient einer Psychiatrie sollte man davon ausgehen können, dass die Mitarbeiter in sozialer Kompetenz geschult sind und den Patienten mit Mitgefühl und Verständnis für deren Notlage begegnen. Wenn es doch nur so wäre, dann hätte meine berechtigte Kritik an der Vorgehensweise beim Entzug die Therapeutin evtl. veranlasst zu sagen: »Wir überprüfen das und bis dahin nehmen sie das Tavor so weiter wie bisher.«
Ich erzähle das deshalb, um deutlich zu machen, dass jedes Handeln oder Nicht-Handeln Folgen hat. Viele Ärzte und Therapeuten, denen ich danach begegnet bin, waren der Meinung es war richtig so zu handeln. Einer sagte:
Es gibt keine Garantie dafür, das, wenn sie jemanden kritisieren oder auf Misstände aufmerksam machen, ihr gegenüber auch mit Kritik umgehen kann, ganz gleich wie sozial kompetent sie sich auch verhalten, wenn ihr gegenüber von sozialer Kompetenz keine Ahnung hat und mit Verlaub ein Arschloch ist, das sein Selbstwertgefühl bedroht sieht. Auch nicht bei Ärzten, Therapeuten oder Pflegekräften. Gerade dort wäre es aber ganz klar notwendig. Sie haben alles richtig gemacht!
Selbstmitgefühl statt Selbstverurteilung
Wie kann es also gelingen ein zufriedenes und erfülltes Leben zu schaffen ohne auf der einen Seite seine Werte aufzugeben oder auf der anderen Seite ständig anzuecken und öfters zu Boden zu gehen?
Die Antwort ist ganz einfach: Gar nicht! Beides geht nicht.
Ich kann kein erfülltes und zufriedenes Leben schaffen ohne mich dabei von meinen Werten leiten zu lassen und ich kann nicht nach meinen Werten leben, ohne öfters anzuecken oder auch mal zu Boden zu gehen. Vielleicht ist es aber manchmal vernünftiger (und gesünder) sich zu überlegen, wann es sich lohnt zu Handeln und wann nicht. Sich vorher der Konsequenzen bewusst zu sein, die das Handeln und das Nicht Handeln nach sich ziehen kann und abzuwägen. Dieses Leben ist mit Sicherheit schwieriger und unbequemer, besonders wenn man sich für eine Sache engagiert, sich z.B. für Flüchtlinge einsetzt, die nicht jedem gefällt. Es ist immer einfacher sich der Masse anzuschließen und mitzulaufen, als eine eigene Meinung zu haben und dafür einzustehen (Du weißt schon, von wegen gegen den Strom schwimmen und so).
Der Diplomat und Mitverfasser der UN Konvention für Menschenrechte Stephané Hessel hat in seinem bemerkenswerten kleinen Büchlein »Empört euch« geschrieben, das nur etwa 10% der Menschen sich engagieren und Widerstand gegen Misstände leisten, die Anderen würden sich der Masse anschließen. Er schreibt:
»Ohne mich« ist das schlimmste,was man sich und der Welt antun kann. Den »Ohne mich-Typen« ist eines der absolut konstitutiven Merkmale des Menschen abhanden gekommen: Die Fähigkeit zur Empörung und damit zum Engagement.
Leider ist nur selten jemand da, der uns aufhilft und die Schnürsenkel bindet, wenn wir mal wieder über unsere Ideale gestolpert sind, am Boden liegen und sagt: »Es war richtig das zu tun, jetzt steh auf und mach weiter.«
Wenn wir uns in Selbstmitgefühl üben, dann können wir derjenige sein und uns selbst beim wieder Aufstehen helfen, indem wir uns selbst umarmen und freundlich zu uns sind, statt uns für unser Handeln oder Nicht-Handeln zu verurteilen, weil es uns so große Schwierigkeiten eingebracht hat.
Es muss uns aber stets bewusst sein, dass beides Konsequenzen hat, das Handeln und das Nicht-Handeln.
Der positive Effekt von Selbstwirksamkeit
Ein solch engagiertes und an den eigenen Werten ausgerichtetes Leben kann um so Vieles reicher, wertvoller und lebendiger sein, als den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen »Ohne Mich«. Denn das, was man dabei erfahren kann bezeichnet der Sozialpsychologe Harald Welzer in seinem Buch »Selbst Denken – eine Anleitung zum Widerstand« als »Selbstwirksamkeit«. Er schreibt:
»Communities of practice« erzeugen bei ihren Mitgliedern das zutiefst positive Gefühl der Selbstwirksamkeit, ein Gefühl, das sich immer dann einstellt, wenn man etwas bewegt hat. Da Menschen es wünschenswert finden, positive Gefühle zu haben, tendieren sie zur Wiederholung dessen, was die positive Emotion ausgelöst hat – weshalb Menschen, die Selbstwirksamkeit erfahren, dazu neigen, immer weitere Aktivitäten in derselben Richtung zu entfalten. Wer einmal mit dem Verändern anfängt und damit erfolgreich ist, hört so schnell nicht wieder damit auf.
Unter »Communities of practice« versteht man Gemeinschaften oder Organisationen wie »Greenpeace« oder »Foodwatch« usw. Das heißt aber nicht, dass ein Einzelner nichts bewirken könnte. Ganz im Gegenteil, Welzer betont in seinem Buch immer wieder, dass es insbesondere auf den Einzelnen ankommt, wenn es darum geht Veränderungen zu erreichen! Diese »Communities of practice« sind schließlich daraus entstanden, dass ein Einzelner eine Idee hatte etwas anders zu machen und dafür eingestanden ist, trotz allen Widerstands und aller Rückschläge. Die Betonung liegt dabei auf machen, also mutig voraus gehen und praktisch etwas anders zu machen und zu zeigen, das es geht!
Denn nur darüber reden oder zu debattieren, wie Politiker das tun, führt zu keiner Veränderung. »Mit gutem Beispiel voraus gehen« ist das Motto. Sobald Andere bemerken, dass dieser Einzelne durch sein Handeln etwas bewirkt, ist das ansteckend und mehr Menschen schließen sich dieser Person, seiner Idee an, so entstehen »Communities of practice«. Harald Welzer schreibt auch, dass wir wieder lernen müssen uns selbst ernst zu nehmen und aus unseren Überzeugungen heraus zu handeln.
» Wir wissen nie, wie groß wir sind, bis wir aufgefordert werden uns zu erheben. Doch dann, wenn wir zu unserem Worte stehen, berührt unsere Größe den Horizont. «Emily Dickenson
Wer erst Mal damit angefangen hat die eigenen Werte zu klären, wird sich automatisch wieder selbst ernst nehmen und wertgeleitet Handeln. Und wenn man dabei hinfällt ist es wichtig, freundlich zu sich zu sein und wieder aufzustehen.
Aloha*
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